Lebensmittel: Zerrissene Werbelandschaft
Erstellt von r.ehlers am Montag 10. März 2014
Der Handel mit Lebensmitteln und die Werbung für sie sind im Laufe der letzten Jahre völlig aus den Fugen geraten. Schuld haben hauptsächlich die Anbieter, die das Publikum jahrelang mit immer mehr falschen Gesundheitsversprechen zum Kauf verlockten, sodass der Gesetzgeber mit der Health Claims Verordnung und dem Codex Alimentarius diesem Tun einen Riegel vorschob. Die Dinge haben sich seither aber in vielfache Richtung wesentlich verschlechtert.
Durch ein völlig falsches Verständnis der Rechtslage und massive Angriffe gegen die Anbieter von Lebensmitteln hat sich inzwischen in Bezug auf Produktwerbung und Produktinformation der ganze Markt radikal verändert. Es gibt nur noch
- inländische Anbieter, die verängstigt sind und jegliche Assoziation zwischen dem Genuss ihrer Produkte und gesundheitlichen Wirkungen in der Allgemeinheit vermeiden,
- und ausländische Anbieter, die im Internet unkontrolliert mit ungesicherten und falschen Behauptungen über die Wirkungen ihrer Produkte werben.
Ich erinnere mal an meinen mehr juristischen Beitrag vom 18.2.2013: http://www.essenspausen.com/warum-hersteller-nativer-kost-nicht-richtig-werben/.
Das heute unverändert geltende Fazit dieses Beitrages lautet:
Der Anbieter von Lebensmitteln ist völlig frei, die Allgemeinheit über den Stand seiner eigenen Forschungen und über die von Dritten gefundenen Erkenntnisse über besondere Wirkungen seiner Produkte zu informieren, auch wenn deren wissenschaftliche Besicherung noch nicht vorliegt und eine Genehmigung seiner Angaben nach der Europäischen Health Claims Verordnung nicht vorliegt. Er darf nur nicht den falschen Eindruck aufkommen lassen, dass seine Annahmen bereits endgültig gesichert seien.
Ein typischer Fehler, den unerfahrene Unternehmer immer wieder machen ist es, erst plakativ alle möglichen gesundheitlichen Wirkungen zu behaupten und dann weiter unten im Text ihrer Werbung in deutlich bescheidenerer Aufmachung darauf hinzuweisen, dass es sich bei seinen Angaben doch nur um Wirkannahmen, Meinungen und Hypothesen handelt.
Obwohl die obergerichtliche Rechtsprechung, wie in meinem vorgenannten Beitrag erläutert, längst klare Fronten geschaffen hat, hinkt die Praxis der Verbraucherschutzämter und der unteren Gerichte noch weit hinterher. Ich erläutere dies vorab einmal im Beispiel, wie die Rechtspraxis versucht, den Lebensmittelhersteller Aminas GmbH zu gängeln. Wie anderweitig geschildert, habe ich diese Firma gegründet, die jetzt allein mein Sohn Dominik Ehlers betreibt. Bei der Festlegung ihrer derzeitigen Werbeaussagen war ich noch federführend tätig.
Weil Rechtsfälle meist als langweilig empfunden werden, beschränke ich mich in der Darlegung des aktuellen Rechtsstreits auf die Essenz dessen, was das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Eilverfahren 16 L 83/14 der Aminas GmbH gegen den Kreis Mettmann mit Beschluss vom 5.3.2014 an Rechtsgrundsätzen ausgebreitet hat.
Anders als in vorhergehenden Verfahren erklärt das Verwaltungsgericht Düsseldorf heute unmissverständlich:
„[Es] ist davon auszugehen, dass bloße Hypothesen, mit denen lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang [zwischen dem Konsum eines Lebensmittels und der Gesundheit] bestehen könnte, von diesem Verbot [der Angabe von gesundheitlichen Wirkungen] nicht erfasst werden. … Bei der Lektüre der Textpassagen wird dem Durchschnittsverbraucher immer wieder deutlich gemacht, dass es sich lediglich um Vermutungen der Antragstellerin über die gesundheitsbezogene Wirkungsweise dr von ihr vertriebenen Aminas Vitalkost handelt. Die gewählten Formulierungen „wir streben an“, „dass unsere Wirkannahmen … auf wissenschaftlichen Hpothesen beruhen“, „ob und inwieweit sich … die vorgenannten psychischen Störungen wirksam bekämpfen lassen, können wir nicht beurteilen“, „plausibel erscheinende Möglichkeit“, „Erfolge, die aber längst nicht hinreichend so objektiviert sind, dass wir groß darüber reden könnten“, „ohne dass dies ausreichend wissenschaftlich gesichert wäre“ sowie“ wir nehmen an und haben den Eindruck“ sind nach ausdrücklicher Maßgabe des Gerichts lediglich Hinweise darauf, dass der Verzehr „die angesprochenen Wirkungen haben könnte“. Das Gericht hebt hervor, dass dies „besonders deutlich wird durch die Aufforderung ‚‘aus(zu)probieren, ob er nicht er nicht die angesprochenen positiven gesundheitlichen Wirkungen durch den Verzehr der Aminas Vitalkost erfährt‘“.
Das Gericht hat zwar einige Passagen des Internetauftritts der Aminas GmbH gerügt, weil sie angeblich „einen [irgendwie gearteten] Zusammenhang zwischen Lebensmittel einerseits und der Gesundheit andererseits“ ohne ausreichend Einschränkung beinhalteten. Bei weiterer Prüfung wird sich herausstellen, dass die Erklärungen des Herstellers so durchzogen sind von den Einschränkungen, dass sie den ganzen Internetauftritt schon dominieren. Die gerichtliche Formulierung ist aber nach der vorher gegebenen Klarstellung, die auch der in einem früheren Verfahren vom Oberverwaltungsgericht in Münster geäußerten Rechtsmeinung entspricht, viel zu „weich“.
Eine solche schwammige Formulierung macht den Weg frei für unsinnige Verbote gegenüber den Anbietern von Lebensmitteln, die gar keine definitiven gesundheitlichen Wirkungen behaupten. Jeder Mensch darf in unserem freien Land mitreden, wenn es um die Ermittlung und Verbreitung der Erkenntnisse über die gesundheitlichen Wirkungen des Verzehrs von Lebensmitteln geht. Annahmen, Meinungen, Vermutungen, Assoziationen, Hypothesen und Theorien dazu unterliegen nicht der behördlichen Kontrolle, aber auch Überzeugungen. Der Anbieter von Lebensmitteln darf daher sagen, dass er solche Wirkungen für möglich hält, dass er ahnt, dass sie da sind, dass er sie subjektiv für gegeben erachtet, sogar dass er glaubt, dass sie durch die gemachten Erfahrungen gesichert sind, auch dass er überzeugt ist, dass das, was er als wissenschaftliche Hypothesen für die naturgesetzlichen Wirkzusammenhänge bekannt gibt, in Wahrheit komplett wissenschaftlich gesichert ist. Natürlich muss er sich an das Gesetz halten, das einen sehr seltsamen Begriff von Wissenschaft zugrunde legt, nämlich Wissenschaft das ist, was die anerkannten Wissenschaftler machen. Der Anbieter, der meint, dass seine Ergebnisse wissenschaftlich gesichert sind, muss daher einschränken, dass dies nicht nach dem Wissenschaftsbegriff des Gesetzes so ist.
Die praktische Umsetzung des neuen Lebensmittlerechts kennt solche Differenzeirungen, wie ich sie beschreibe, kaum. Im ganzen deutschsprachigen Raum und darüber hinaus bis nach Italien und Litauen hinein habe ich im Verlaufe der letzten Jahre von fast allen zuständigen Behörden die fast gebetsmühlenartige Wiederholung des falschen Satzes gehört, dass über die gesundheitlichen Wirkungen des Verzehrs von Lebensmitteln grundsätzlich „nicht gesprochen“ werden dürfte.
In der Realität sind die ganze Lebensmittelindustrie und der Handel, ganz besonders was den Vertrieb der vielen Nahrungsergänzungsmittel (die ja auch nur Lebensmittel sind) anbetrifft, vor dem Diktat der Behörden eingeknickt. Durch den Druck der für die Lebensmittelüberwachung und den Verbraucherschutz zuständigen Behörden, die mit Verboten nicht gegeizt haben, und durch eine undifferenzierte Behandlung der verschiedenartigen Erwähnung wirklicher oder möglicher gesundheitlicher Wirkungen haben wir heute die Situation, dass inländische Anbieter von Lebensmitteln bewusst niemanden darüber informieren, wo der Verzehr ihrer Produkte nach ihrer Überzeugung hilfreich sind. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Aktivität der Abmahnvereine, die besonders in Deutschland zum wahren Schrecken des Handels wurden.
Seltsamer Weise merkt die allgemeine Öffentlichkeit von dem massiven Rückgang der Behauptungen über die gesundheitsbezogenen Wirkungen von Lebensmitteln fast nichts. Jeder Mensch, der nicht selbst Lebensmittel herstellt und vertreibt, ist ja völlig frei, gesundheitliche Wirkungen von Lebensmitteln zu behaupten. Er darf genau die definitiven Wirkaussagen machen, die den Anbietern untersagt sind. Daher können meine Gesellschaft für das richtige Essen e.V. (GfE) und ich persönlich, nachdem ich rechtlich nicht mehr mit dem Hersteller Aminas GmbH verbunden bin, auch darauf festlegen, dass der Verzehr der Aminas Vitalkost regelmäßig genau die gesundheitlichen Wirkungen hervorruft, von denen der Hersteller nur als subjektiven Annahmen reden darf. Wenn die Seiten der GfE derzeit auch schon von bis zu 200 Mal am Tag angeschaut werden, ist das natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Von viel weitreichenderer Wirkung sind die Wirkbehauptungen, die von wirklichen und vorgeblichen Kennern der Materie in der Presse veröffentlicht werden. Oft ist gar nicht zu übersehen, dass die Berichte über behauptete Wirkungen von Anbietern lanciert werden, auf die die Autoren freiweg Bezug nehmen und die oft genug auch noch ihre Werbung ein paar Spalten weiter unterbringen. Immer noch aktuell ist mein Beitrag in der Internetzeitung Readers Edition aus dem Jahre 2008: http://www.readers-edition.de/2009/08/26/von-mietmaeulern-und-hurenverkommene-gesundheitswerbung/.
Während sich solche Werbung noch in einer Grauzone befindet, sind das Internet und viele Printmedien voll mit absolut verbotener Werbung von Anbietern, die ihren formalen Sitz im Ausland haben, aber in Deutschland über eine Zwe4igstelle operieren, hier herstellen lassen, hier lagern und von hier aus ihre Waren verteilen wie jeder inländische Anbieter auch. Sie überschwemmen tagtäglich den deutschen Markt zu einen mit unerlaubten Produkten, zum anderen werben sie mit unzulässiger Werbung für gesundheitliche Wirkungen. Diese Werbung ist durchweg nach §§ 59, 11 LFGB strafbar. Der Gesetzgeber hätte sich indes das ganze Lebensmittelstrafecht sparen können, weil die zuständigen Behörden es einfach negieren. Sie tun auch so, als ob sie gegen die massenhaften verbotenen Internetangebote nicht vorgehen könnten, wenn der Rechtssitz der Betreiber im Ausland liegt. Dabei werden ihre Seiten in Deutschland von deutschen Firmen gehostet, so in einer Reihe von Fällen, die ich selbst sehe, von der 1 & 1 Internet AG, Brauerstraße 48, 761365 Karlsruhe. Wenn die Internetadresse die Endung „.de“ trägt, ist der Domaininhaber die Denic eG, Kaiserstraße 75 – 77, 60329 Frankfurt, soweit eine „.com“-Adresse verwendet wird, ist Provider die Schlund + Partner AG, die am Sitz von 1 &1 tätig ist.
Wenn ich nicht aus der Zeit meiner Anwaltstätigkeit die Fälle kennte, in denen Hosts, Domaininhaber und Provider auf Zuruf, dass von ihnen unterstützte Seiten illegale Inhalte verbreiten, diese aus dem Netz nahmen bzw. auf behördliche oder gerichtliche Anordnung nehmen mussten, würde ich den zuständigen Behörden glauben, dass man doch gegen Betreiber aus dem Ausland als deutsche staatliche Stelle machtlos wäre!
Als bekannt wurde, dass der Gesetzgeber plante, die Wirkaussagen über Lebensmittel zu reglementieren, als insbesondere die fürchterlichen Folgen des Codex Alimentarius an die Wand gemalt wurden, gab es in Industrie und Handel eine mächtige Gegenbewegung. Wo sollte das nur hinführen, wenn man sich erst bei EU-Behörde in Parma genehmigen lassen musste, was man konkret über gesundheitliche Vorteile seiner Lebensmittel sagen wollte! Wie sollten sich die Menschen künftig gesund halten können, wenn die Anbieter nicht auf den großen Wert der einzelnen Lebensmittel hinweisen durften?! Ganz zu schweigen davon, wie der Handel einen solchen Eingriff überleben können sollte!
Tatsächlich hat wenigstens bei den inländischen Anbietern die frühere lockere Praxis gelegt, ohne wirkliches Wissen auf gesundheitliche Vorteile aller möglichen Lebensmittel hinzuweisen. Diese alte Gewohnheit hat im Bewusstsein der Bevölkerung viel Schaden angerichtet. Sie ist verantwortlich dafür, dass Millionen Gesundheitsbewusster ständig auf der Suche sind nach immer neuen Wirkungen immer neuer, möglichst exotischer Lebensmittel. Der Glaube an den unverzichtbaren Wert dieser einzelnen Produkte von Ginseng bis Gingko und Aloe bis Gerstengras ist unausrottbar. Nichts gegen die wirklich vorhandenen Inhaltsstoffe dieser Produkte. Sie finden sich aber auch in herkömmlichen Lebensmitteln, wenn auch nicht in derselben Kombination. Das jahrzehntgelange Trommelfeuer, dass die Inhaltsstoffe der Nahrung Wunder wirken könnten, hat auch dazu geführt, dass unter Menschen, die auf ihre Gesundheit achten, kaum noch einer ist, der nicht meint, ständig neben gut ausgewählter „normaler“ Nahrung auf Nahrungsergänzungsmittel zugreifen zu müssen. In den USA, wo die Werbung das tägliche Leben schon seit vielen Jahrzehnten beherrscht, ist das noch viel krasser als bei uns. Da kann ich nur der von allen „Alternativen“ gescholtenen halbstaatlichen Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) einmal zustimmen, dass eine gute Auswahl der heutzutage allgemein verfügbaren Lebensmittel es regelmäßig unnötig macht, ständig nach Nahrungsergänzungsmitteln Ausschau zu halten.
Tatsache ist indes, dass in bestimmten gesundheitlichen Situationen die Ernährung die besten Wege zur Gesundheit weist. Bis die verkommene Werbung mit Beginn des Wirtschaftsaufschwungs nach dem II. Weltkrieg die Herrschaft übernahm, wurden wichtige Essensregeln von Generation zu Generation weiter gegeben. Ich halte heute noch das kleine „Lexikon der Hausfrau“ in Ehren, in dem meine Mutter damals die Lehren, die sie selbst aus ihrer Familie übernommen hatte, nachlas. Dieses Handbuch, das sich mit allen Haushaltsfragen befasst, ist schwerpunktmäßig auch ein Buch für das richtige Essen. Darin verwertet sind auch Kenntnisse ein aus den Lehren der großen Hildegard von Bingen und von Pastor Kneipp.
Die Hersteller und Anbieter von Lebensmitteln, die anders als zuletzt gedacht frei sind, über ihre Meinung über die gesundheitlichen Wirkungen von Lebensmitteln zu reden, sollten künftig ihren Wissensvorsprung vor dem Verbraucher nicht mehr dazu nutzen, um ihn mit Werbesprüchen kaufgeneigt zu machen. Sie sollten ihr Wissen an die Verbraucher ehrlich weitergeben. Wenn der Anbieter beispielsweise weiß, wie jedermann sich leicht durch kluge Ernährung mit allen benötigten Vitaminen, Aminosäuren, Mineralstoffen, Enzymen , Spurenelementen und allen weiter noch für die gute Funktion von Körper, Geist und Gemüt versorgen kann, sollte er das auch verbreiten und nicht auf Deubel komm raus jeden verleiten, dazu „vorsorglich“ ganz besondere Produkte oder gar Medikamente zu nutzen.
Fazit:
Die Welt der Werbung für Lebensmittelprodukte wurde in den vergangenen Jahren für die inländischen Anbieter durch unzulässige behördliche Verbote künstlich verarmt, während dreiste Anbieter aus dem Ausland immer mehr Fuß fassten, weil die Behörden ihr Treiben angeblich nicht bastllen konnten.
Seit klar ist, dass die Anbieter von Lebensmitteln ihre ehrliche Meinung zu den Wirkungen ihrer Produkte sagen dürfen, solange sie im Zweifel einschränken, dass ihre Richtigkeit nicht objektiv gesichert ist und auch kein Eintrag in die Liste der gehemigten Wirkbehauptungen in Parma vorliegt (Codex Alimentarius), müssen die zuständigen Behörden ihre simple Praxis aufgeben, jedwede bloße Erwähnung möglicher Wirkungen pauschal zu verbieten.Das war bis dahin natürlich eine großartige Verwaktungsvereinfachung, aber eben auch ein großes Unrecht.
Dass die Hersteller und Vertreiber über ihre Werbung wieder in sachlichen Kontakt mit den Verbrauchern treten können, dient auch den Interessen des informationssuchenden Publikums. Schließlich werden sich ehrliche Anbieter nicht nur Mühe geben, geschickt zu werben, sondern auch wertvolle Produkte zu verbreiten. Wenn sie nicht mal über die angestrebten Wirkungen reden dürfen, haben sie allerdings am Markt keine Chance.
Hier ein gutes Beispiel dafür, wie es gar nicht geht:
P.S.: An den vorstehenden Beitrag schließt sich mein Beitrag über die ehrliche Werbung vom 11.3.2014 nahtlos an.